Als Zuschauer bei Philippe Karl – Reitphilosophie der Légèreté

Durch Zufall hörte ich vor 3 Jahren das erste Mal von der Reitphilosophie der Légèreté des französischen  Reitmeisters  Philippe Karl  und setzte mich intensiv damit auseinander. Unter fachkundiger Anleitung stellte ich begeistert von der Légèreté  meine Welsh-Cobs  und Welsh-Mountains erfolgreich  so nach und nach zu dieser Reitweise um.

Im Juni erhielt ich über eine Email die Nachricht, dass die Zuschauerpreise bei den  Ausbildung – und  Fortbildungskursen von Philippe Karl  für seine Schüler bzw. die bereits lizensierten Trainer, um einiges  gesenkt wurden. Das war natürlich ein verlockendes Angebot, dem Meister persönlich beim Unterrichten zuschauen zu können.  Die Vorfreude war schon über die Wochen bis dahin riesengroß und zu Hause wurde im Stall alles genau geplant und eingeteilt, damit  für die drei Tage meiner Abwesenheit trotzdem alle Ponys, Milch-Schafe und weiteren Tiere bestens gepflegt und versorgt werden. Spontan hatte sich Eva, eine meiner Reitschülerin, aus lauter Begeisterung über die klassische Reitkunst der Légèreté , die sie bei einem Heimatbesuch bei mir im Stall kennen gelernt  hatte,  ebenfalls für den Kurs in Pegestorf, angemeldet und kam dafür extra aus England angereist, wo sie z.Z. lebt und arbeitet, aber seit Jahren  unserem Stall treu verbunden blieb.

 Herzlicher Empfang

Am Freitag, dem 27. 8. war es dann endlich soweit, um 6.00h starten wir bei strömendem Regen  in Richtung Hameln, wo wenige Kilometer davor an der Weser der winzige Ort Pegestorf liegt. Wir treffen  nach 4 Stunden Fahrt durch Dauerregen am Vormittag auf der herrlichen Anlage der Familien Hellwig und Matthes ein und werden sehr herzlich empfangen und auch gleich von Sabine Mosen, die die Lehrgänge mit Anmeldung usw. organisiert, aufs freundlichste begrüßt, so als würden wir schon alte Bekannte sein und man hat sofort das Gefühl dazuzugehören.

Die Hände müssen immer höher getragen werden, als die Maulwinkel des  Pferdes !

Der Unterricht hat bereits begonnen .P. Karl hält den Unterricht auf Englisch und eine Dolmetscherin übersetzt simultan. In der Reithalle befindet  sich eine noch junge Hannoveraner Stute(7J.), die eine nicht so tolle Vorgeschichte hatte und teilweise misshandelt worden war, wie die jetzige Besitzerin, eine bereits lizensierte Ausbilderin, den zur Zeit etwa  10 anwesenden  Zuschauern  erklärt. Die Reiterin ist früher konventionell  nach FN wohl auch Turniere geritten und hatte schon mehrere schwierige Pferde, aber diese Stute war eine echte Herausforderung, wie sie zugibt. Die Reiterin versucht die Stute, die sehr gute Bewegungen hat, aber permanent weglaufen möchte, durch Trabarbeit und Übergänge zu lösen, aber die Stute legt sich sofort auf den Zügel und somit auf die Vorhand. P. Karl  fordert sie dazu auf, das Pferd konsequenter im Hals zu biegen und erst aus der Biegung heraus in die Dehnung nach unten zu entlassen. Die Reiterhände folgen immer  dem Pferdemaul und der Kopfhaltung des Pferdes, wie der Meister ausdrücklich betont. Wenn aber das Pferd sich auf das Gebiss legt und zubeißt, muss der Reiter die Hände sofort  anheben und zwar immer höher als der Maulwinkel des Pferdes und es dazu veranlassen, dass es im Unterkiefer nachgibt, anschließend folgt die Hand natürlich sofort nach unten.  Nach einigen  Minuten  für das Pferd  anstrengender  Biegearbeit  im Schritt und Trab auf kleinen Volten, fordert er eine kurze Pause. Das Pferd ist nervös und kann noch nicht ruhig stehen. P. Karl fordert die Reiterin dazu auf, mehr vom Boden aus und gleich zu Beginn das Pferd mehr zum Kauen und Nachgeben im Unterkiefer aufzufordern und er geht selbst zu der Stute und zeigt der Reiterin vom Boden in aller Ruhe wie sie es machen sollte. Das Pferd muss den Kopf selber tragen und anheben, denn nur so kann es sein eigenes und das Gewicht des Reiters im Gleichgewicht tragen, ohne auf die Vorhand zu fallen. Wenn die Stute wegrennen will, sobald man ihr die Stütze am Zügel nimmt, ist dies ein Zeichen, dass sie noch nicht in der Balance ist, wie er erklärt und hebt dabei vor dem Pferd stehend den Kopf der Stute immer wieder mit den Daumen in den Trensenringen mit Druck nach oben in Richtung der Pferdeohren an, so dass nicht die Zunge und die Lade abgequetscht werden, sondern der Druck auf die unempfindlicheren Lefzen geht. Er dreht  ihren Kopf nach links und rechts und biegt dabei auch den Hals, sodass immer die eine Seite hohl wird und die andere Halsseite gedehnt wird, das ist Gymnastik, wie er betont. Jetzt darf die Besitzerin es selber noch probieren und wird dazu ermuntert noch konsequenter zu sein, damit sich die Stute nicht jedes Mal auf die Reiterhand legt. Schließlich reitet  sie mit der Fuchs-Stute noch einige Seitengänge im Schritt und Trab. P. Karl lobt seine Schülerin, wenn es wirklich gut klappt, aber er verlangt korrektes Vorgehen und Reiten der exakten Linien in den  Lektionen, um dann auch die Reiterin mit dem  Pferd in Dehnungshaltung  traben und später auch galoppieren zu lassen.  Man merkt der Reiterin an, dass sie etwas Bedenken hat, bei diesem feurigen Pferd, aber es klappt recht gut. Die Stute legt sich aber trotzdem sofort wieder auf die Vorhand und will schneller werden, so dass die Reiterin immer wieder ganz kurz, für wenige Sekunden,  die Zügel nach oben anheben muss, um dem Pferd zu vermitteln: trage dich selber! Das war schon eine sehr lehrreiche Einheit, stellen Eva und ich fest, aber wir fragen uns, weshalb die Reiterin bei so einem eher schwierigen, noch so jungen Pferd,  keinen Helm trägt?

 

Reiten mit feiner Hilfengebung, in Balance und Harmonie

Während der Mittagspause, es gibt ein sehr leckeres warmes Büffet, kommt man beim Essen im Reiterstübchen schnell in Kontakt mit den unterschiedlichsten Reitern und Ausbildungs-Anwärtern oder  Zuschauern und es ergeben sich die interessantesten Gespräche.  Da gibt es die bereits bei der FN als Trainer C-A ausgebildeten, die schon viel Erfahrung haben mit dem Unterrichten in großen Reitställen, man trifft auf die mobilen Reitlehrer oder sehr erfahrene , ehemalige Turnierreiter, aber auch auf Züchter und Pferdewirtschaftsmeister  und solche mit Zusatzqualifikationen im horsemanship oder den verschiedenen  Bereichen der Sitzschulung oder sogar aus dem Bereich des therapeutischen Reitens. Einige waren früher aus dem Bereich der Barock-Reiterei, Westernreiter, Distanz- oder Vielseitigkeitsreiter, aber allen ist eines gemeinsam, sie haben festgestellt, dass sie so, wie sie bisher geritten sind und es von anderen vermittelt bekommen haben, nicht mehr weiter machen wollten, weil sie selber spürten, dass es so nicht sein darf und kann und fanden oft nach jahrelangem Suchen endlich den Weg , auf dem sie sich jetzt befinden, zu einem Reiten mit feiner Hilfengebung, in Balance und Harmonie mit dem Partner Pferd, was dann wirklich zur Légèreté  wird. Genauso vielfältig und bunt wie die Reiter und Zuschauer sind natürlich auch deren Outfits und die dazugehörigen Pferde. Hier reitet man in T-Shirt, normaler Reithose und Stiefeln oder Chaps, aber auch die eine oder der  andere in teuren Reitanzügen oder mit Nadelstreifen-Reithosen und Jodhpur-Stiefeletten. Bei den Pferden ist vom Reit- Pony, Camargue-Pferd, über Spanische oder Barocke-Pferde bis zum deutschen Warmblut oder sogar Vollblut alles vertreten. In  diesem Kurs reiten täglich 4 bereits lizensierte Ausbilder der école de légèreté mit verschiedenen Ausbildungsniveau, teilweise mit ihren eigenen, teilweise auch mit Korrekturpferden, die ebenfalls in ihrem Ausbildungsstand recht unterschiedlich sind. Außerdem reiten 4 Reiter mit, die sich für die Ausbildung , die 3 Jahre dauert, beworben hatten und deren reiterliches allgemeines Können und Wissen überprüft werden sollte, wobei schon eine gewisse Erfahrung in der Unterrichtserteilung und im Reiten in der klassischen Reitkunst der légèreté vorausgesetzt wird und man entsprechend Unterricht bei lizensierten Ausbildern gehabt haben muss, damit man hier auf die Wartelist gesetzt wird.

 

Hand ohne Bein, Bein ohne Hand

Der Unterricht lief mit einer Knappstrubber-Stute weiter, die in der Barock-Reiterei ausgebildet wurde, auch schon sehr viele Lektionen vom Ablauf her beherrschte, aber leider früher nur auf blanker Kandare geritten worden war und sich mit ihrer ganzen Masse stets auf die Vorhand lehnte und insgesamt eher triebig wirkte.  P. Karl gibt hier der Reiterin, die sich erst für die Ausbildung bewirbt, immer wieder das Kommando, die Hände höher zu tragen, damit das Pferd den Kopf oben behält, auch während der Seitengänge im Schulterherein. Wichtig ist, das die Schenkel stets ruhig am Pferdeleib herabhängen, sie dürfen nur die Bewegung des Pferdes mitmachen  und nur impulsartig treiben und nicht permanent  vibrieren , klopfen oder quetschen, denn das stumpft das Pferd ab. Wenn ich das Pferd auffordere, erklärt P. Karl, seinen Kopf höher zu tragen durch ein Demi  Arrêt, also eine Art Halbe Parade, die nicht rückwärts wirkt, sondern lebhaft mit den Händen nach oben einwirkt, darf der Reiter nicht gleichzeitig die treibenden Schenkel einsetzen, denn das kann das Pferd in diesem Moment nicht verstehen, weil der treibende Schenkel nur für die Vorwärtsbewegung eingesetzt werden sollte. Das hat schon der bekannte Reitmeister  Baucher gesagt:“Hand ohne Bein, Bein ohne Hand“ Wenn der Reiter das von Anfang an trennt, wird das Pferd auch den Schenkel  besser akzeptieren. Genauso wird das Pferd lernen,  besser in Balance zu gehen und sein Gewicht auf die Hinterhand verlagern, wenn es merkt, dass es viel angenehmer ist, den Kopf selber in einer normalen Position zu tragen und es auch keine Schmerzen mehr im Maul auf der Zunge gibt , wenn man sich nicht ständig auf die Trense  legt, schließlich haben Pferde auch ein Gehirn und können lernen, wie er humorvoll hinzufügt.

 

Philippe Karl verrät ein“ Geheimnis“

Wir sehen nun bis zum Abendbrot noch weitere Teilnehmer des Kurses ihre Pferde im Unterricht bei P. Karl zu reiten. Da gibt es den spanischen Schimmelhengst, der von seiner Reiterin, einer Lizensierten Trainerin,  schon sehr gut und weit ausgebildet wurde und hier mit Kandare vorgestellt wird. Als der Hengst doch einmal zu tief mit dem Kopf kommt, verrät P. Karl ein“ Geheimnis“ und meint schmunzelt, dass die Kandare ja auch eine Unterleg-Trense besitzt, dessen Zügel man auch benutzen darf, um den Kopf des Pferdes zu heben, deshalb ist die Filis-Zügelführung, viel logischer, als die gekreuzte Zügelführung beim Kandaren Gebrauch. Als die Reiterin gefragt wird, wie oft in der Woche sie ihn denn mit Kandare reitet, gab sie etwas erschrocken und entschuldigend an, dass es wohl nur ein bis zwei Mal in der Woche sei. P. Karl aber ist der Meinung, dass ein Reiter mit einer feinen Hand das Pferd mit Kandare noch mehr verbessern kann, deshalb findet er es besser lieber 5 Mal mit Kandare in der Woche zu reiten und 1 Mal auf Trense, zur  Kontrolle, als umgekehrt. Denn dieses hört man nämlich, wie er scherzhaft hinzufügt,  oft von den bekanntesten Dressurreiterinnen,  die ihre Pferde so gerne einrollen, selber aber meinen eine feine Hand zu haben. Die Reiterin zeigt mit dem Hengst die Seitengänge auch im Galopp, Schulterherein , Travers und Traversale und zeigt wie sie zu Hause die fliegenden Galoppwechsel  vorbereitet hat, nämlich mit Galopp in Konter-Stellung auf dem Mittel-Zirkel, sodass das Pferd nur noch von Innen nach Außen umspringen muss, was ihr aber noch nicht immer gelingt. P. Karl bemängelt ihren Sitz, die Schulter des Reiters sollte parallel zur Pferdeschulter sein und korrigiert die Lage des treibenden Schenkels, der auch beim Umspringen korrekt am Gurt liegen soll und der verwahrende handbreit hinter dem Gurt. Und siehe da, plötzlich klappt es!  Zum Ende zeigen die beiden noch vom Boden den Spanischen Schritt, dabei muss das Pferd eine leichte Konter-Stellung und eine sehr hohe Kopfposition einnehmen, damit es hoch und weit die entsprechende Vorderhand aus der Schulter heraus anheben kann, das Bein wird mit einer Gerte leicht touchiert. Das sieht  schon sehr gut aus und der Hengst wirkt sehr stolz und freut sich über jedes lobende Leckerli. Diese Übung eignet sich sehr gut als Vorbereitung zur Passage, vor allem bei Pferden mit nicht so guten Bewegungen, weil sie hier mobiler in der Schulter werden.

Nicht so viele sinnlose Kilometer auf der Vorhand

Nach einer Kaffee-Pause geht es weiter mit einer noch sehr jungen Reiterin( Ausbildungsanwärterin), die ein älteres Distanzpferd vorstellt, dass früher nie dressurmäßig  geritten wurde und jetzt erst seit 3 Wochen von ihr in dieser Reitphilosophie ausgebildet und korrekturgeritten wird. Die Reiterin will das Pferd in Dehnungshaltung im Schritt und Trab lösen, weil es wohl nicht so gut auf der Trense kaut, aber  P. Karl hält nichts von den vielen sinnlosen Kilometern auf der Vorhand und erklärt auch dieser Reiterin wieder geduldig, wie sie erst vom Boden aus das Pferd dazu bringen muss, im Unterkiefer nach zu geben, das Genick zu öffnen und sich selbst zu tragen, so lange muss der Kopf oben bleiben, erst, wenn das Pferd nachgibt und den Kopf etwas senkt,  gehen auch die Hände nach unten. Dieses  Pferd stellt sich hier teilweise etwas stur, aber der Lehrer fordert weiter konsequentes Vorgehen und mein, wenn ein Pferd wirklich absolut nicht das machen will, was der Reiter will, dann entscheidet sich der Reiter schnell zu einer anderen Aufgabe, die das Pferd eben machen will und kommt später zu der ersten wieder zurück.

Ein weiterer Lizensierter  besitzt einen sehr netten kleinen braunen Wallach, der wirklich schon  exzellent  ausgebildet  ist, alle möglichen Lektionen in allen Gangarten mit Leichtigkeit zeigt, nur leider keine guten Grundgangarten besitzt und somit bei der Galopp-Pirouette in der Hinterhand oft aus dem Takt kommt, da sein Galopp-Sprung zu kurz ist. Der Reiter  verrät aber, dass er wohl bald mit einem Pferd arbeiten kann, dass über bessere Gangarten verfügt. Trotzdem  ist es erstaunlich, was man mit wirklich klassischem Reiten, auch  aus so einem Pferd alles herausholen kann und der Wallach würde bestimmt ein tolles Lehrpferd abgeben.

 

Bei der Dehnungshaltung sollte der Reiter immer den Genickriemen noch sehen können

Vor dem Abendessen gibt es  noch einen  pädagogischen Teil, d.h. die lizensierten Ausbilder bringen jedes Mal einen Schüler mit seinem Pferd mit zu diesen Vertiefungskursen, um hier an Hand einer Unterrichtseinheit zu demonstrieren, wie sie zuhause mit ihren Schülern arbeiten und was diese für Fortschritte machen. Diese Unterrichtsproben werden von den anderen anwesenden lizensierten Ausbildern zusammen mit P. Karl besprochen. P. Karl und den anderen Trainern gefällt die  Vorstellung mit einer Reitpony-Stute, die erst vor 6 Monaten von der konventionellen Reiterei umgestellt worden ist, recht gut. Die Tochter der jetzigen Reiterin hatte die Stute früher auf FN-Turnieren bis M-Dressur geritten, sie konnte also sehr viel. Dann wurde das Pony aber 1 Jahr lang von einem Anfänger immer auf der Vorhand geritten. Diese wieder jetzt verbesserte Balance, durch die Verschiebung des Gewichts von vorne auf die Hinterhand  war hier schon nach  kurzer Zeit sehr gut gelungen. Eva und ich wünschten, dass man auf den Turnieren  doch einmal Pferde in der Dressur so in Selbsthaltung vorgestellt bekommt. Aber dort läuft der größte Teil nur auf der Vorhand, eingerollt oder in absoluter, künstlicher Aufrichtung, zusammengeschnürt, mit einem falschen Knick, der höchste Punkt ist nie das Genick, sondern meist der 3. Halswirbel. Bei den fliegenden Galoppwechseln muss das Pony noch lernen,  sich mehr zu tragen, damit es nicht mit hoher Kruppe umspringt. P. Karl empfiehlt  die Stute häufiger für kurze Strecken in Dehnungshaltung zu reiten, aber der Kopf darf nur bis Bug, die Nase muss nach vorne und der Reiter sollte bei waagerecht getragenem Pferdehals immer noch den Genickriemen sehen können und Kontakt am Zügel haben.

 

Mit Kappzaum an der Longe

Obwohl wir hundemüde sind, sprechen wir noch länger an dem Abend über die vielen gewonnen Erkenntnisse und staunten wie gut diese Pferde schon fast alle  Seitengänge in allen Gangarten beherrschen. Als sehr positiv verzeichnen wir auch, dass P. Karl sehr viel Wert auf das richtige Vor-wärts-abwärts in Dehnungshaltung legt, denn einige kritisch Stimmen meinen ja, hier gäbe es keine Dehnungshaltung, die Pferde laufen nur mit hoch angehobenen Köpfen. Bemerkenswert ist auch, mit welcher Ruhe die Pferde kurz vorher warm gemacht werden. Entweder mit Kappzaum an der Longe oder mit Abkau- und Biegeübungen vom Boden  und später noch kurz von Pferd aus. Die Pferde, die auf Trense geritten  werden, sind  fast alle mit einer einfachen Wassertrense, aber als  Schenkeltrense ausgerüstet, es gibt keinen Sperriemen und keine Ausbinder oder sonstigen Gurte und der Nasenriemen ist locker  verschnallt. Beim Biegen des Pferdehalses vom Pferd aus öffnet der Reiter stets die innere Hand als seitwärts weisenden  Zügel, dabei wird das Handgelenk so gedreht, dass die Fingernägel nach oben zeigen, der Ellenbogen bleibt dabei am Körper. Damit das Pferd nach außen hin nicht über die Schulter ausweichen kann, darf der Reiter auch die äußere Hand mit der Zügelfaust  gegen den Hals oder Wiederrist drücken. Natürlich besteht die Reitkunst und Philosophie der Légèreté aus viel mehr, als aus Abkau- und Biegeübungen oder dem Anheben und Senken der Hände, oder aus „Aktion und Reaktion“, denn  auch bei dem „Demi Arrêt „ wird noch zwischen verschiedenen Stärken unterschieden, aber diese Details können hier nicht im Einzelnen erklärt werden. Es ist vielleicht vergleichbar mit der Kunst des Musizierens, hier reicht es ja auch nicht, nur die richtigen Noten vom Blatt abzuspielen.

 

Hört den Pferden zu, wenn sie mit euch sprechen!

Am Samstag gibt es in familiärer Atmosphäre ein wirklich königliches Frühstück-Büffet und es finden sich nach und nach immer mehr Gäste zum Zuschauen ein. Plötzlich begeben sich alle wie auf ein stilles Kommando in die Reithalle auf die Zuschauer-Seite und in der Bahn sitzt Philippe Karl auf der  feurigen Fuchs-Stute. Es ist so still, wie in der Kirche, man traut sich kaum zu atmen, ganz leise ertönt dann im Hintergrund  aus dem Lautsprecher Vivaldis Musik: Die vier Jahreszeiten. Der Meister reitet Schritt und biegt den Hals der Stute mal links, mal rechts, er hebt die Hände, wenn sie sich auf den Zügel stützt und summt oder pfeift dabei gelassen zu der Musik mit. Er probiert alle Seitengänge und pariert sie auch zum Halten durch, anfangs will sie auch wieder weglaufen, aber dann gibt sie doch immer öfter nach, kaut zufrieden und steht jedes Mal etwas länger still. P. Karl lobt die Stute und meint, den Zuschauern zugewannt:  „ Hört den Pferden zu, wenn sie mit euch sprechen. Man muss den Pferden Zeit geben, das vom Reiter verlangte auch ausführen zu können.“ Schließlich wird sie auch von ihm getrabt mit Biegung im Hals und in Konterstellung  auf engen Kurven, bis er sie in Dehnungshaltung entlässt. Humorvoll, wie er so ist, gibt er zu, dass diese  Stute hoch explosive ist wie eine Bombe und man ständig aufpassen muss, dass sie nicht explodiert. Er rät der Besitzerin, dass sie die Stute an der Longe vorher galoppieren lassen sollte und unter dem Sattel vorerst nur aus einem ruhigem Trab nur für wenige Galopp-Sprünge, damit sie diese im Gleichgewicht macht und dann sofort wieder durch -parieren, nur so lernt sie ihr Gewicht auf die Hinterhand zu verlagern.

 

Bei Pferdia tv

Nun triff  Thomas Vogel mit seiner Kamera ein, um P. Karl beim Unterrichten seiner Schüler und lizensierten Ausbilder zu filmen. Diese neue DVD soll dann noch vor Weihnachten 2010  herauskommen und bei „Pferdia  tv „ zu erwerben sein. Gefilmt wird der  Lusitano-Hengst unter der lizensierten Besitzerin, die sich beide sehr gut präsentieren, trotzdem korrigiert P. Karl auch hier, da es nicht eine Schau-Vorstellung,  sondern eine Unterrichtseinheit ist. Sie zeigen das volle Programm mit  Seitengängen in allen Gangarten, hervorragende Trabverstärkung, bis hin zur Versammlung mit der Entwicklung der Piaffe, was wirklich sehr beeindruckend ist.

Weniger ist oft mehr

Auch die Trainerin mit ihrem dunklen Warmblut-Wallach wird während des Unterrichts gefilmt. P.  Karl erwähnt, dass es Pferde gibt, die sofort das Genick runden, sobald man die Zügel aufnimmt, dass muss der Reiter unterbinden, denn in der Lösungsphase muss das Genick geöffnet sein, sonst ist später das Genick auch nie am höchsten Punkt. In der Dehnungshaltung soll der Hals lang und tief sein, aber nie rund, denn der Rücken des Pferdes ist horizontal. Der dritte Lizensierte, der hauptsächlich die Abkau- und Biegeübungen mit Kandare vor der Kamera  zeigt, berichtet, dass er früher bei  Bent Branderup in der Ausbildung war. P. Karl schätzt diesen Reiter und Ausbilder, wie er selber meint, sehr, aber  bei diesem Herren hat die Reiterei  im 17./18. Jahrh.  leider aufgehört und  zum Glück kamen danach ja auch noch einige gute Ideen dazu. P. Karl weißt daraufhin, dass  man bei der Pferdeausbildung  behutsam vorgehen  muss, nur wenige Dinge vom Pferd auf einmal verlangen, denn bekanntlich ist weniger oft  mehr. Aber wir sind in einer Gesellschaft, fügt der Meister nachdenklich hinzu, wo alle ständig immer nur noch mehr wollen, leider manchmal auch mehr Dummheiten. In Gesprächen mit Teilnehmern hört man dann auch hin und wieder mal eine Enttäuschung, wenn es nicht so gelaufen ist wie erhofft und man eigentlich die fliegenden Galoppwechsel oder ähnliches üben wollte, weil es damit zu hause noch nicht so recht funktioniert und man dann hier vor Ort im Grunde nur Übergänge vom Schritt zum Halten üben durfte, weil das Pferd immer noch auf der Vorhand liegt. Aber nur so funktioniert es, Schritt für Schritt, da darf man nichts auslassen oder vorwegnehmen, wenn der Anfang noch nicht stimmt.

Philippe Karl schnappt sich eben mal eine Gitarre

Wir sehen noch bei den weiteren Reiterinnen bis zum Abend zu. Inzwischen ist es richtig voll auf den Zuschauerplätzen geworden, denn am Abend steht die Theorie auf dem Programm. In einer freien Minute schnappt sich P. Karl mal eben  eine Gitarre, die im Reiterstübchen steht und spielt meisterhaft  klassisch  spanische Stücke darauf. Für den Vortrag werden allgemein Fragen aus dem Publikum gesammelt und es geht  um den Unterschied zwischen der konventionellen „Halben  Parade“ und dem „ Demi  Arrêt“, er erklärt sehr ausführlich mit kleinen, teilweise aufheiternden  Skizzen und an Hand von Beispielen,  was der Takt ist und die Balance, aber das hier wiederzugeben würde den Rahmen  dieses Artikels sprengen und kann auch im Prinzip in seinem Buch: „ Irrwege der modernen  Dressur“ nachgelesen werden. Wichtig ist ihm, dass Reitlehrer nicht immer nur sagen sollten: „ verbesser den Takt, oder ruhiger im Takt“, denn damit kann der Schüler nicht viel mit anfangen. Es müsste heißen: „Verlangsame den Takt, indem du das Pferd mehr aufrichtest.“  Den zuschauenden Teilnehmern gibt er aber noch warnend mit auf den Weg, die Reiterei der Légèreté nur unter Anleitung mit seinen lizensierten Ausbildern durch zu führen, weil sonst vieles schief gehen kann. Eva und ich stellen nach diesem 2. Tag fest, dass Philippe Karl ein wahres Allround- Talent ist, denn er kann nicht nur super reiten, hervorragend unterrichten und die Theorie so vermitteln, dass es wirklich jeder versteht und prima zeichnen, sondern dann auch noch Gitarre spielen.

 

Immer mit dem Gewicht in die Bewegungsrichtung sitzen

Am Sonntag, Vormittag sehen wir uns noch eine pädagogische Einheit mit einem Camargue-Pony an, das zwar hinten massiv überbaut ist, aber alle Lektionen bis zum  Anpiaffiern  schon beherrscht. Diese Reiterin  wird in ihrem Sitz korrigiert und sollte mehr auf der Seite in die Bewegungsrichtung einsitzen und die Zügel nicht zulang lassen, was sonst zu insgesamt zu zu hohen Händen führt, wie der Meister ihr erklärt.

Reitkunst

Gleich nach dem Essen müssen wir leider schon aufbrechen und wieder Richtung Limburg fahren. Es regnete die ganzen 3 Tage und auch jetzt noch. Während der Fahrt haben wir noch viel Zeit alles Aufgenommene  und neu Erlernte zu besprechen und wir sind uns einig, dass es jedem Reiter, vor allem aber den  FN- Trainern gut tun würde, hier einmal zum Zuschauen hinzu fahren. So wie hier geritten wird, stelle ich mir das Reiten vor. Was für ein Unterschied zu dem, was man leider sonst in allen Reitställen sieht und leider auch in Ausbildungsstätten als Trainer gelehrt bekommt. Ich kann nur hoffen, dass sich alle Reiter in Zukunft mehr mit den theoretischen Hintergründen der Reiterei und der Biomechanik des Pferdes und der Bewegungslehre befassen und sich selber mal beobachten und vielleicht auch mal hinterfragen, was sie da eigentlich tun.  Denn der Spruch:“ Das haben wir immer so gemacht“,  kann jetzt nicht mehr als Entschuldigung zählen. Hoffen wir, dass Reiten in Zukunft nicht immer mehr einem Kampfsport gleicht,  sondern  eher einem Tanz, denn vom Reiten  spricht man bekanntlich auch von Reitkunst.