Rückblick zum Vortrag „Klassische Dressur! Neuer Trend oder wirklich pferdegerechte traditionelle Reitkunst?“

Mit Gastdozentin Irene Boss am 30.5.2010 auf dem Weidenhof

Das Wetter an diesem Sonntag ließ mal wieder zu wünschen übrig, aber dafür war es für die 23 Teilnehmer genau das Richtige, um sich mal in der Theorie fortzubilden. Das Reiterstübchen war um 14.00 h bis auf den letzten Platz gefüllt und alle lauschten gespannt den Begrüßungs- und Einführungsworten der 1. Vorsitzenden des Vereins, Gabriele Sobotta ( FN Trainerin C ), die kurz erklärte, wie es zu dIMG_1141

er Idee dieses Meeting kam und dass sie es sehr wichtig findet, dass heute alle Pferdefreunde und Reiter von den neuen Erkenntnissen der Biomechanik, den Zusammenhängen der Körper-Haltung des Pferdes, in besonderem Maße, die des Kopfes und in der Bewegung mit dem Reitergewicht und den dazu eingesetzten Muskeln . Jetzt sollten alle wissen, wie schädlich es für das Pferd ist, wenn es hyperflexiert, also in Rollkur gehen muss und dabei zwangsweise ständig die Zunge abgedrückt wird. Obwohl die Diskussionen in den letzten Jahren über dieses Thema mit verschiedenen Vertretern der FN und den bekannten Kritikern, wie Dr. Gerd Heuschmann, Anja Beran oder dem französischen Lehrer der Légèreté Philippe Karl in den Presseartikeln der Pferdewelt publik gemacht wurde, scheint es leider bei den wenigsten Reitern angekommen zu sein. Immer noch sieht man auch bei Prüfungen und Turnieren, dass die Reithalfter viel zu eng zugeschnürt sind und die Pferde nicht kauen können, weil sie das Unterkiefergelenk nicht öffnen können. Die Reiter merken gar nicht, dass ihr Pferde die ganze Zeit auf der Vorhand läuft und die Zuschauer, die häufig noch weniger Ahnung haben, applaudieren bei spektakulären Trabaktionen, bei denen aber nichts aus der Hinterhand geschoben wird. Fragt man Reiter, wann sie sich das letzte Mal mit der Theorie der Reitlehre befasst haben, geben die meisten offen zu, dass es lange her ist, irgend wann, als sie mal für ein Reitabzeichen lernen mussten, aber das mit der Ausbildungsskaler hätten sie sowieso nie so richtig verstanden und als Freizeitreiter braucht man das doch auch nicht , oder ? Aber genau das ist der Grund warum solche Treffen wichtig sind und weshalb auch der Freizeitreiter mal wieder ein Buch zur Hand nehmen sollte, oder sich eine Lehr-DVD wie z.B. die vom WuWei-Verlag „ Stimmen der Pferde“ von G. Heuschmann oder „ Feine Dressur“ von A. Beran, die an dem Tag hier zum Verkauf angeboten wurden. Auch Exemplare von der Dressurstudie, wie z.B. auch die DVD“ Klassik contra Classique“ mit Ch. Hess und Ph. Karl, konnten erworben werden.

Nach dem sich Irene Boss zu ihrer Person und ihrem reiterlichen Werdegang vorgestellt hatte, auch sie war wie üblich nach FN ausgebildet worden und ist als Jugendliche in vielen Spring-Turnieren gestartet, hat aber dann andere Ausbildungen durchlaufen wie bei Linda Tellington, bei der sie Trainerin wurde und machte noch in den USA die Ausbildung Connected und Centered Riding, und ist inzwischen Schülerin bei Phlippe Kar in seiner Ecole de Légèreté, wurden nun Ausschnitte von den auch schon erwähnten Filmen von G. Heuschmann, Anja Beran und Philippe Karl gezeigt.

In den Gesichtern der Zuschauer sah man doch große Betretenheit und Entsetzen und viele fragten sich anschließend, warum nicht viel mehr auf Abreite-Plätzen und auf Turnieren gegen die Rollkur unternommen wird und warum die Reithalfter in letzter Zeit immer enger geschnallt werden, obwohl es ja auch in den Richtlinien der FN verlangt wird, dass 2 Finger unter dem Nasenriemen über dem Nasenrücken dazwischen passen sollten. Nach einer Kaffee-Pause mit leckerem Kuchen konnten die Teilnehmer nun sogar bei sonnigem Wetter im Hof unter dem Pavillion den Ausführungen von Irene Boss lauschen, die an Hand von Tafeln nochmals erklärte, wie die Zunge mit ihrem Muskel in Zusammenhang mit der Aufrichtung des Pferdes im Hals und dem Nackenband, dem Tragemuskel für das Reitergewicht steht. Es wurden viele Fragen zum Thema Ausbinder gestellt und an praktischen Beispielen mit Trensen direkt die Einwirkungen der Ausbinder oder auch der ständig nach unten einwirkenden Hand erläutert. Sehr eindrucksvoll wurde auch die Auswirkung des Sitzes des Reiters auf den Pferderücken demonstriert, den nur in einer korrekten aufrechten Haltung kann der Reiter mit positiver Spannung ideal in der Bewegung mit den Pferd mitgehen.

IMG_1155In der Halle zeigten dann Gabriele und Iren an der Welsh-Cob Stute Silvanus Charity, wie man ein Pferd vom Boden aus schon optimal für das Reiten vorbereiten und durch Abkau-Übungen im Kiefer mobilisieren und im Hals und Genick lösen und biegbar machen kann. Obwohl Irene die Stute nicht kannte und es draußen plötzlich wieder sehr stürmte, setzte sie sich auf Charity und zeigte im Schritt, wie das Pferd flexibel und locker geritten werden kann, indem man das Pferd im Hals deutlich biegt, aber immer mit dem Zügel nach oben einwirkt, damit auf keinen Fall Druck auf die empfindliche Zunge kommt und das Pferd sich im Hals eher aufrichtet und sein Gewicht nach hinten verlagert und nicht auf die Vorhand fällt und sich auf dem Zügel, der Reiterhand abstützt. Denn statt Anlehnung will die klassische Reitkunst Selbsthaltung und nur minimalen Kontakt zwischen Pferdemaul und Reiterhand. Wenn das Pferd das verstanden hat, das Maul dabei öffnen kann, um zu schlucken und schließlich das Genick öffnet und wie von selber läuft, dann kann der Reiter mit seinen Hilfen aussetzen, das ist dann wahre Légèreté, da muss man dann auch nicht ständig mehr drücken und treiben und vorne gegen halten, den so wie der alte Meister la Baucher sagte: „ Hand ohne Bein, Bein ohne Hand“, keiner würde auf die Idee kommen gleichzeitig bei einem Auto oder Fahrrad Gas zu geben und gleichzeitig zu bremsen, aber laut der FN Reitlehre sollten das die Reiter tun.

Inzwischen hatten einige Vereinsmitglieder weitere Schul-Ponys vom Weidenhof getrenst und standen für die Teilnehmer zur Verfügung, um selber das Abkauen

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und biegen im Hals vom Boden aus, unter fachkundiger Anleitung von Iren Boss, auszuprobieren. Die Welsh-Ponys und Cobs vom Gestüt Silvanus kennen das schon und machten dabei hervorragend mit. Natürlich tauchten hierbei wieder viele neue Fragen auf, die leider in so kurzer Zeit nicht alle gänzlich beantwortet werden konnten, was aber zeigt, dass der Bedarf an solchen Kursen vorhanden ist. Einige Antworten auf die noch offenen Fragen lieferten bestimmt die Fachlektüren von der Dressurstudie und den Wuwei- Verlag, denn spätestens jetzt hatte doch der eine oder andere Teilnehmer gespürt, dass man sich doch noch fortbilden könnte und Lesestoff oder Videos für Zuhause erworben. So ging ein kurzweiliger, sehr lehrreicher Nachmittag zu Ende, der hoffentlich positive Auswirkungen in der zukünftigen Reiterei der Teilnehmer hinterlässt und ganz in dem Sinne der klassischen Reitkunst immer den Respekt vor dem Pferd an erste Stelle stellt und dessen Bedürfnisse achtet, damit es in natürlicher Haltung und in Harmonie und in Balance mit dem Reiter brillieren kann, was aber selbstverständlich nur in Losgelassenheit und eben durch Leichtheit und feinen Hilfen geschehen kann.

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