Bericht über den 2. Dressurlehrgang zur klassischen Reitkunst: Schnuppertag der Légèreté am 27.3.2011 mit Andrea Walz

IMG_3592Gespannt saßen die 12 Teilnehmer, sowie auch einige Kinder  im Alter zwischen 10 und 14 Jahren mit deren sehr interessierten Müttern  im Reiterstübchen und lauschten den Worten von Andrea Walz, die sich zunächst vorstellte.
Sie kommt aus der Vielseitigkeit und hatte das große Glück, als Kind einen sehr guten Reitlehrer gehabt zu haben, wie sie berichtete. Vor ca. 10 Jahren kam sie zu der Reitphilosophie der Ecole de Légèreté, weil sie damals ein sehr schwierig zu reitendes Pferd besaß und sie keinen FN Trainer fand, der ihr ohne die so üblich gewordenen Zwangsmittel, einen Weg zeigen konnte, wie sie mit diesem Pferd klar kommen konnte. Hier fand sie dann neue Lösungsmöglichkeiten und Weg, das Pferd mit feinen Hilfen reiten zu können und inzwischen wird sie dort von Philippe Karl zum Reitlehrer der Légèreté  ausgebildet.IMG_3657
Sie erklärte den Zuschauern wie Philippe Karl, der erst im Alter von 20 Jahren mit dem Reiten gegen  den Willen seine Eltern begann, zu seiner Reitphilosophie kam und dass er sich nie mit den üblichen Floskeln zufrieden gab, die so oft von Reitlehrern daher gesagt werden, sondern dass er alles hinterfragte und selber ausprobierte, ob das auch funktioniert und sinnvoll ist und vor allem dem Pferd nützt. Er studierte die Bewegungslehre und Biomechanik des Pferdes und las die ganzen Reitlehren der alten Meister im Originaltext  auf Französisch und erkannte, dass es viele Methoden z.B. von Reitmeister Baucher gab, die gut waren, aber evtl. Zeit brauchen und richtig angewandt werden müssen, damit das Pferd den Reiter auch versteht. Und gerade die Methode den Unterkiefer des Pferdes vor dem Reiten durch Abkau- und Biegeübungen zu mobilisieren, ist heute leider in Vergessenheit geraten oder aus Zeitmangel gestrichen worden.
IMG_3621klDer Zeitmangel ist der größte Feind in der Ausbildung von Pferden. So kommt es dass sie immer mehr mit Gewalt und allen möglichen Hilfsmitteln, wie Schlaufzügeln,  Ausbindern und scharfen Trensen mit festzugeschnürten Reithalftern geritten werden und sich die Pferde vor Schmerzen auf der abgedrückten, sehr empfindlichen Zunge und Demütigung nicht mehr in einer normalen Haltung bewegen können. Sie verkriechen sich hinter dem Zügel und rollen sich im Hals ein, was zu der so berüchtigten Rollkur führt. Aber auch die meisten anderen Pferde, die nicht extrem eingerollt geritten werden, laufen heute fast alle auf der Vorhand, weil sie ständig mit dem Zügel nach unten und nach hinten gezogen werden, was nachweislich sehr schädlich für die Gelenke und Muskulatur des Pferdes ist. Nur in einer natürlichen aufgerichteten Haltung kann das Pferd mit dem Reiter auf dem Rücken in Balance in allen Gangarten gehen, was der Reiter viel besser mit einer etwas höher getragenen Hand erreicht, indem er leichten Druck auf die weniger empfindlichen Lefzen ausübt und dem Pferd damit vermittelt, sich selber zu tragen.
IMG_3653klPhilippe Karl meint, so erklärt Andrea Walz, dass man das Pferd im Maul zuerst öffnen muss, so wie man mit einem Schlüssel vorsichtig eine Tür öffnet, um zu einem treuen Freund zu kommen. Man besucht den ja auch nicht, indem man mit der Schulter oder mit den Füßen oder gar mit einer Brechstange die Tür  eintritt. Nur ein im Unterkiefer mobilisiertes, also kauen und schluckendes Pferd ist locker und  nicht verspannt. Es muss  auf beiden Seiten im Hals biegsames sein, dann kann das Pferd  losgelassen im Takt gehen.  An Hand von Zeichnungen erklärte Andrea Walz, welche Rolle gerade die Zunge und das Zungenbein mit den Muskeln der Brust in Verbindung zur Vor- und Hinterhand hat und wie wichtig es ist, dass der große Rückenmuskel, als Bewegungsmuskel sich beim Pferd auch unter dem Reiter noch bewegen können muss, weil es sonst mit nach unten weggedrückten, anstatt mit aufgewölbten Rücken laufen muss. Den Reiter trägt das Pferd mit dem Nackenband, aber das ist leider den wenigsten Reitern bekannt.
IMG_3662klHier entstand nun eine rege Diskussion und es wurden viele Fragen gestellt und so manches Vorurteil zur klassischen Reitkunst ausgeräumt.
Nach der Theorie ging es zu praktischen Übungen am Pferd weiter. Jeder Teilnehmer konnte an einem Pony mit Trense die Abkau -Übungen, die Andrea Walz nochmals vorführte und erklärte,  vom Boden aus selber ausprobieren. Dabei merkt man sehr schnell, auf welcher Seite das Pferd sich leicht biegen lässt, also hohl ist und welche Seite des Pferdes verspannt ist und im Hals Muskelverkürzungen hat, also vorsichtig erst einmal gedehnt werden muss.
Nach einer Mittagspause, in der die jüngeren Reiter des Vereins  Andrea Walz eine klein Kostprobe ihrer Reitkünste mit den bereits erlernten Biegungsübungen vorstellten, gab Andrea Walz jedem einzeln der  4 angemeldeten Reitern des Hofes erste Schnupperstunden in der Reitweise der Légèreté. Dabei achtete sie sehr auf die richtige Zügel- und Handhaltung bei den Biegungen und den „Demi  arrêt“  oder mit den Fingern ein leichtes Vibrieren ausreichen wird. Um das Pferd zu Beginn geschmeidig zu machen, wird es viel gebogen, dazu hebt der Reiter die innere Hand an und führt sie seitlich, der äußere Zügel kann dabei gegen den Nacken des Pferdes gedrückt werden, um ein über die Schulter-Ausbrechen zu verhindern.
IMG_3681klDie Pferde müssen zu Beginn mit einem offenem Genick gehen und sehr viel in Dehnungshaltung geritten werden, aber sie dürfen nicht nur so tief eingestellt geritten werden, das geht auf Lasten der Vorhand. Ab einem bestimmten Ausbildungslevel sollte der Reiter das Pferd in der Vorhand aufrichten, damit es mehr Last auf die Hinterhand bringen kann. Seinen Kopf muss das Pferd  dann selber getragen, es darf nie die Zügel und Reiterhand zum Abstützen nehmen, also die übliche Anlehnung ist hiermit nicht gemeint. Durch die Biegungsarbeit und die Seitengänge bringt der Reiter das Pferd ins Gleichgewicht und  dazu, dass sich das Genick rundet, ohne mit der Nasen-Stirn-Linie hinter die Senkrechte zu kommen.
IMG_3700klSehr wichtig ist natürlich auch in der klassischen Reitkunst der Légèreté der ausbalancierte Sitz des Reiters. Der Reiter muss immer in die Bewegungsrichtung des Pferdes sitzen, was gerade beim Schulterherein von großer Bedeutung ist, hier sitzen die meisten Reiter nach innen zur gebogenen Seite, man muss aber nach außen sitzen. Ein wichtiger Unterschied zur herkömmlichen Reitweise ist noch der Einsatz der Treibenden – Hilfen. Bei der Légèreté treibt man das Pferd durch Impulse und nicht mit einem permanent  drückenden Schenkel  vorwärts. Bei Übergängen von einer höheren zur niedrigen Gangart oder auch zum Anhalten wird hier nicht gleichzeitig der Schenkel angelegt, sondern bleibt passiv, weil das Pferd nicht verstehen kann, warum es am Zügel pariert wird, der Schenkel aber treibt zum Gehen. Später bei der Versammlung setzen die Zügel-  und Schenkelhilfen in Sekundenbruchteilen versetzt ganz schnell nacheinander ein, aber nie gleichzeitig.
IMG_3696Die vier Reiterinnen waren sehr begeistert von der Art des Unterrichts, sie hatten alle viel gelernt, was nun noch erst verdaut werden muss, wie sie gestanden. Einige der Zuschauer wurden nun so motiviert, dass ein neuer Kurs geplant wurde für den 29.6.2011, bei dem sie dann auch mitreiten wollen.  Bis dahin wollen sie noch, um alles besser verstehen zu können, das Buch „ Irrwege der modernen Dressur“ von Philippe Karl lesen und die dazu herausgekommenen DVDs anschauen, die extra für diesen Lehrgang vom Verlag  Pferdia-TV auf dem Weidenhof zum Kauf preisgünstig angeboten wurden. Als Thema für die Theorie wurde die Ausbildungs-Skala vorgeschlagen.